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Dienstag, 21. April 2009

Vom Recht, dem Stärkeren und der Demokratie

Auf dem Unerzogen-Blog (www.unerzogen.de) kam zum Thema „Kein Zweck heiligt Zwang“ die Frage nach dem Recht des Stärkeren auf. Von daher, so der dortige Impetus eines Beitragenden, sei es geradezu natürlich, daß der Erwachsene über das Kind bestimmt. Wer das Recht des Stärkeren moralisch nicht in Ordnung fände, müsse dies dann über Staat, Erziehung und Beschulung ändern und diene damit dem Zweck des Gutwerdens. Dazu kann man freilich ein ganzes Buch schreiben, ich versuche es einmal in aller Kürze.

Zunächst einmal möchte ich voranstellen: Menschen sind keine Tiere. Sie können in einem ungleich größerem Maße ihre Handlungen bewußt reflektieren und steuern. Von daher impliziert der Umstand, daß Eltern stärker und mächtiger sind, noch keine Ausübung von Gewalt über Kindern. Warum auch? In aller Regel sind Kinder nicht nur Folge elterlichen Sex, sondern auch elterlicher Liebe. Ohne „Liebe machen“ gibt es jedenfalls keine Kinder. Hier und da mögen fremdnützige Motive eine Rolle spielen, aber in aller Regel werden Kinder um ihrer selbst willen angenommen und es spricht alles dafür, daß Eltern dieses Selbst ihrer Kinder unbewußt und auch bewußt achten. Die Menschen sind keine Engel, aber die Empirie zeigt doch, daß Eltern nicht einmal überwiegend ihr Ego über das ihres Kindes stellen, sie sind ja bereit für das neue, sich eigene Menschenkind. Darin begründet sich auch das Erziehungsrecht der Eltern, welches juridisch, kulturell und auch religiös maßgeblich anerkannt ist. Auch das Grundgesetz erkennt und kodifiziert das elterliche Erziehungsrecht als natürlich. Es ist tatsächlich vorstaatlich und sein Rang als Grundrecht begründet es als Abwehrrecht gegenüber anderen, insbesondere staatlichen Ansprüchen. Es sind allein die Eltern, die die Voraussetzungen für die grundlegende Förderung ihrer Kinder mitbringen: Liebe, Bindung, Nähe, Vorbild, ähnliche genetische Disposition, also schlichtweg die menschlich notwendigen Eigenschaften, die so natürlich sind, weil Gott und Natur diese zur Wirklichkeit wählten.
Wenn Eltern mit dem Anspruch leben, ihre Kinder unerzogen aufwachsen zu lassen, so ist ihnen bewußt, daß sie unwillkürliche Erziehung natürlich nicht vermeiden können, wie zum Beispiel die Nachahmung. Doch ist diese ebenso zweckfrei wie zwanglos, hier kommt das Kind aus sich heraus, es nimmt elterliches Verhalten aus eigener Disposition an, sei diese nun halbbewußt oder nicht. Der Verzicht auf willkürliche Erziehung, auf Verzweckung des Kindes ist eigentlich ganz natürlich und menschengerecht. Die Grenzen, die Erwachsene unter sich gelten lassen, gelten eben unter Menschen allgemein, auch unter Kindern und auch zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden. Insofern ist die juristische Anmaßung ausgerechnet eines staatlichen Erziehungsauftrages zwar durchaus demokratietypisch, keinesfalls aber angebracht, weder aus rechtlicher noch aus moralischer Sicht. Im Grunde genommen ist fremdnützige Erziehung ein Anachronismus, es sei denn man betrachtet zumindest partielle Sklaverei als legitim – oder, wie es Logos der Demokraten ist, den Einzelnen als dem Volke Untertan.
Natürlich ist das Volk stärker als jeder Einzelne, zumal wenn es sich der Staatsgewalt bedient. Ein Recht dazu läßt sich aber keineswegs herleiten – und dies wurde in der Geschichte der Menschheit auch keineswegs auch nur überwiegend getan. Sowenig wie die Eltern ihren Nachwuchs gebrauchen dürfen, so wenig dürfen es andere. Nicht Macht, Recht und Moral sind Voraussetzungen von Zivilisation, vielmehr werden Stärkere und Mächtige durch die Anerkennung von Recht beschränkt. Die moderne Monopolisierung der Gewalt, unter dem mutmaßlichen Gusto, daß Staatler Übermenschen wären, verhindert gerade die freie Rechtsfindung, den Ausgleich unter den Menschen, der notwendig ist, allein schon weil Menschen um den Platz, auf dem sie sich befinden, konkurrieren. Deshalb ist die menschliche Anerkennung von Eigentum (auch der Einzelne gehört sich selbst) so befriedend und rechtlich grundlegend. Auch der Nachwuchs ist davon, der menschlichen Art von Anfang an angehörig, eingeschlossen. Macht ist immer bedingt und relativ; Macht ist kurzlebig, Recht langlebig. So wie der Mensch die Naturgesetze der Schwerkraft allein dadurch überwinden konnte, daß er die Naturgesetze von Ballistik und Aerodynamik nutzt, ist auch der Mißbrauch von Macht nur zu begrenzen, in dem anthropo-praxeologische Erkenntnisse genutzt werden. Menschen sind in der Lage, ihren Schutz zu organisieren, zu argumentieren, sich zu verbünden, sich zu wehren. Und sie bleiben ebenso befähigt, auch wenn sie willkürlichen Übergriffen entsagen, die ja nicht dadurch besser werden, daß sie im Namen des Volkes oder via Staatspolizei ausgeübt werden. Durch die Monopolisierung der Gewalt entstehen zwangsläufig die unrechten Verzerrungen, die wir aus der Ökonomie kennen, wenn (juristische) Personen für Monopole privilegiert werden. Die Kunst einer freien Gemeinschaft von Menschen, einer Zivilisation, besteht eben gerade darin, die Staatsgewalt (de Jouvenel) zu beschränken, deren eigene Gewalt, zumal im Zeitalter der Massen (le Bon), zu zivilisieren. Ansonsten haben wir, wie heuer, tatsächlich das Recht des Stärkeren, das des Staates. Und daran ändert auch nichts die absurde Situation, daß Eltern heute via Partei und Parlament ganz demokratisch darüber mitbestimmen dürfen, wie alle (anderen) Kinder staatlich erzogen werden, nicht aber darüber, ob – und wie - ihre eigenen Kinder erzogen werden. Das Recht des Stärkeren gibt es also nicht, wie hier leicht erkennbar ist, denn jeder Mensch – außer der Sozialist – wird ohne weiteres erkennen, daß diese Situation kein Recht sein kann. Sie ist zudem unmoralisch, denn der Nachweis des dadurch angeblich ermöglichten besten Kindeswohls kann ebensowenig erbracht werden. Unter der Fuchtel der Staatsgewalt leiden Kinder ebenso wie ihre Eltern. Das Ansinnen, sie zum Nutzen des Volkes herzurichten, gelingt zudem nicht, weil Zwang und ihr sanftes Pendant , die Manipulation, eben keine geeigneten Mittel sind. Zwang ist bestenfalls und ausnahmsweise nur dann moralisch und rechtschaffen bei korrekt antizipierter Nothilfe. Dazu ist der Bürokrat, auch nicht im Auftrag der Demokraten, regelmäßig nicht in der Lage. Weder Demokrat noch Bürokrat haften für die Folgen ihrer per Staatsgewalt durchgesetzten und wahrlich billigen bloßen Meinung. Auch das hat nichts mit Recht zu tun und fördert gesetzmäßig Verantwortungslosigkeit. Eltern ernten die Früchte ihrer Fehlerziehung selbst, sie haben daher sogar ein eigenes Interesse für bestmögliches Geleit, neben der elterlichen Liebe. Ob stärker oder mächtiger, handeln sie nicht klug und in Liebe, gedeihen ihre Kinder nicht. Klug und in Liebe ihre Kinder an das Gute und in das Leben zu führen, das ist die eigentliche Stärke, zu der die Liebe beflügelt. Sie ist das Gesetz, das Macht beschränkt. Zwischen den Generationen und zwischen den Menschen. Und es läßt einen David einen Goliath besiegen. Es gibt immer einen Stärkeren. Das Recht hat damit nichts zu tun.


Dieser Beitrag wurde zunächst in gekürzter und bearbeiteter Form im Zeitschriftenmagazin Unerzogen des Tologo-Verlag in Leipzig publiziert.

Unerzogen-Blog: www.unerzogen.de
Unerzogen-Blogbeitrag: Kein Zweck heiligt Zwang
Unerzogen-Magazin: Website
Aktuelles Demokratieheft: Kein Konsens über Demokratie – in Staat, Bildung und Familie
Bertrand de Jouvenel: Über die Staatsgewalt, antiquarisch
Gustave le Bon: Psychologie der Massen
Freiheitssplitter: Liebe und Freiheit
Institut für Wertewirtschaft: Demokratie-Analyse